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Freitag, 26. Juli 2013

Meditation ist Philosophie

Wenn man (= ich) sich mit Philosophie beschäftigt (z. B. in "Philosophie und Wissenschaft" oder "Denken..."), dann stößt man im Rahmen der Kognitionswissenschaft unweigerlich auf das Thema "Meditation". Das hat mit Bewusstsein zu tun, mit der Frage: "Wie ist es, wie fühlt es sich an, ich zu sein? Wie erfahre ich »die Welt da draußen« in mir?"


© Illustration: Joanna Hegemann

Das Streben nach Erkenntnis, aber nicht durch Reflexion und Denken, sondern durch Innenschau und Selbsterfahrung. Als Skeptiker fernab von "Jahrtausende alten fernöstlichen Weisheiten" fasziniert mich das Buch von Ulrich Ott mit dem Titel "Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst".

Die Frage

Auf seiner Website stellte ich ihm folgende Frage:

Ist die von "allen erfahrenen Meditierenden" berichtete Wirkung (z.B. "Einssein" mit Allem) nicht eine Art "selbsterfüllende Prophezeiung", da ihnen ja genau diese Wirkung im Rahmen ihrer Ausbildung vorausgesagt wurde? Gibt es Leute, die in die Meditation ohne jede Zielvorstellung eingeführt wurden ("beobachte doch mal deinen Atem und schaue, was passiert")?

Hier seine Antwort:

Einige positive Wirkungen der Meditation werden sicherlich durch
Wunschdenken und Autosuggestion gefördert (Placebo-Effekt). Bei den
Erfahrungen von Einheit spielen diese Mechanismen aber wahrscheinlich
keine große Rolle - ganz im Gegenteil scheinen alle Erwartungen und
Zielvorstellungen eher zu verhindern, dass solche Erfahrungen eintreten,
weil es ja gerade darum geht, das Ich mit seinen Erwartungen
vorübergehend zu suspendieren. Daher treten diese Erfahrungen eher dann
auf, wenn der Betreffende nicht damit rechnet bzw. die Hoffnung
aufgegeben hat.


Im Bereich Entspannung und Stressbewältigung wird Meditation in der
Regel ohne Hinweis auf mystische Erfahrungen vermittelt. Es wäre
interessant zu wissen, ob und ggf. wie oft diese dann eventuell dennoch
eintreten. Die Übungsdauer ist dort allerdings kurz, und daher werden
vermutlich nur Personen mit einer entsprechenden Neigung zur Versenkung
(Absorptionsfähigkeit) solche Erfahrungen machen.


Vor allem die Befunde zur Wirkung von psychedelischen Substanzen weisen
darauf hin, dass hier ein neurobiologischer Mechanismus ausgelöst wird,
der die Aufspaltung in Ich und Umwelt aufhebt. Bei den Kontrollpersonen
mit Placebo treten solche Erfahrungen nicht in dieser Intensität auf,
wobei sich sehr suggestible und hysterisch veranlagte Personen eventuell
vielleicht auch so in ihre Wunschvorstellung hineinsteigern könnten,
dass sie sich einbilden, mystische Erfahrungen gemacht zu haben. Solange
wir keine neurologische Signatur genuiner mystischer Erfahrungen
bestimmt haben, bleibt die Unterscheidung sehr schwierig, was echt und
was Einbildung ist.


Dass es sich immer um "selbsterfüllende Prophezeiungen" handelt, halte
ich vor diesem Hintergrund für unwahrscheinlich. Wirklich "naive
Probanden", die noch nie etwas von mystischen Erfahrungen gehört haben,
wird es bei den erfahrenen Meditierenden kaum geben. Und alleine durch
etwas Atemachtsamkeit werden solche Erfahrungen wohl nur in seltenen
Fällen ausgelöst werden können.

Nachtrag:

Wer Freude an Querverlinkungen hat, findet Frage und Antwort hier.

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