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Populäre Sachbücher, Philosophie und Wissenschaft "für jedermann"

Donnerstag, 30. August 2012

Noch eine Leseprobe aus „Don Quijote“

(siehe Philosophie-Seite) 


(Zahlreich erläuternde oder auf Quellen verweisende Fußnoten des Originals bis auf einige Ausnahmen weggelassen).

6. Die Grundsatzfrage: der Streit zwischen Philosophie und Wissenschaft

Es war nur eine Frage der Zeit, dass unsere beiden Protagonisten in den Abgrund fallen sollten, den die auseinander treibenden Kontinente der Philosophie und der Wissenschaft aufgerissen haben. Noch vor zweitausend, ja vor vierhundert Jahren vereint – in ihrer Jugend –, waren diese Denkdisziplinen nun auseinander gedriftet. Sprach man damals noch von einer philosophia perennis, einer „immerwährenden Philosophie“, nach der sich bestimmte philosophische Einsichten über Zeiten und Kulturen hinweg erhalten sollten, so besaß die sich stürmisch entwickelnde Wissenschaft immer kürzere Halbwertszeiten. Hypothesen, Theorien, Annahmen erblickten das Licht der Welt, lebten eine kurze Zeit und wurden vom Fortschritt der Erkenntnis überrollt. Viele Beobachter waren der Meinung, die Philosophie sei stehen geblieben oder im Nebel der Irrelevanz verschwunden, während die Wissenschaft – allen voran Naturwissenschaft und Technik – das tägliche Leben der Menschen und damit ihre Weltanschauung vereinnahmten. 
Zwei unvereinbare Sichten auf die Welt?
Es hatte sich schon längere Zeit etwas zusammengebraut. Die Gespräche waren dünner geworden, die freundlichen Gesten hatten abgenommen. Sancho Pansa hatte ein paar Mal den R4 überholt und hinter sich gelassen, worauf sich Don Quijote prompt verfuhr. Sein Knappe hatte umkehren und ihn suchen müssen, was nicht ohne boshafte Bemerkungen abgegangen war. Don Quijotes Gesicht war inzwischen wie aus grauem Schieferstein gemeißelt, und Sancho Pansa sah aus wie ein Dampfkessel kurz vor der Explosion. Die Atmosphäre zwischen ihnen war dick, gelb und schwefelhaltig geworden und schien ein zündfähiges Gas zu enthalten.
Don Quijote, der – wie er meinte – Weisere und Höherstehende, entschied in Erinnerung an das Vergnügen seiner Jugend, die Corrida de Toros, den schnaubenden Stier, als der Sancho Pansa ihm erschien, anzugreifen. Beim Mittagessen beschloss er, ihn darauf anzusprechen. Hatte er gedacht, ihn wie der Picador, der Lanzenreiter, nur ein wenig zu reizen, so musste er erleben, wie sein Knappe sofort in Wut geriet.
DQ:     Dein Ton, wie ich schon gesagt habe, gefällt mit in letzter Zeit gar nicht mehr. Ich bin dein Herr, und du bist mein Diener. Du solltest die naturgegebene Rangfolge nie missachten.
SP:      Die gibt es schon lange nicht mehr. Hast du vergessen, was Karl Marx 1843 in Paris zu dir gesagt hat? Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. „Die Herrschaft der unterdrückten Mehrheit über die ehemaligen Unterdrücker beginnt“. Wir sind nun die herrschende Klasse. Wer hat denn dein verrottetes Landgut in Schuss gehalten, den Traktor erfunden, um dein Land zu bestellen, elektrisches Licht installiert? Du saßest an deinem Schreibtisch und hast vor dich hin gedacht. In der warmen Stube – und wir haben die Heizung in Gang gehalten.
DQ:     Ich bin dein Herr…
SP:      Ein Frühstücksdirektor bist du. Wer hat in unseren Schulen das Sagen, der Schulleiter? Nein, es ist der Hausmeister. Die arbeitende Klasse. Die Wissenschaft bestimmt unser Leben schon Jahrhunderte, ihr Philosophen erzeugt nur noch bedrucktes Papier. Lange unverständliche Sätze, die höchstens von dummen Ingenieuren in die Bedienungsanleitungen ihrer Geräte übernommen werden.
DQ:     (gähnt demonstrativ und provozierend) Damit kannst du mich nicht treffen. Das hat Hegel schon geschrieben: „Herr und Knecht stehen zueinander in einer sich gegenseitig bedingenden dialektischen und zyklischen Beziehung.“  Der Präsident des Staates ist abhängig von seinem Rhetorik-Berater, den er aber jederzeit feuern kann.
SP:      Was schließt ihr daraus? Nichts. Eure Zunft verändert nichts. Mit Hegel kann ich dir antworten: „Der Knecht steht der Wirklichkeit am nächsten und lernt dabei am meisten“.
DQ:     Dir mangelt es an Bescheidenheit. Seit jeher bewohnte die Wissenschaft im Haus der Philosophie nur das Gästezimmer.

Dienstag, 28. August 2012

Leckerbissen (Tidbits) 1


Ich liebe Selbstbezüglichkeiten und die daraus oft entstehenden Paradoxien (siehe „Don Quijote“ Kapitel 5: Die seltsamen Schleifen des Seins). Eine ist aus einem Freud’schen Versprecher von Th. Metzinger (Professor für theoretische Philosophie an der Universität Mainz) entstanden: „Worüber man nicht reden kann, davon muss man sprechen“ – ein schön verunglücktes Zitat von Wittgenstein (aus dem Tractatus logico-philosophicus [deutscher Titel: Logisch-Philosophische Abhandlung] des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein, Ziffer 7.: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“) (dem „Tractatus“ ist im „Don Quijote“ das Kapitel 2 gewidmet: Die gemeinsame Basis – die Logik).
Quelle:
Thomas Metzinger - Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit - Teil 1
Den „Tractatus“ findet man hier:

Vielleicht hatte sein Unterbewusstsein Recht: tiefere Erkenntnis gewinnt man vielleicht, wenn man doch versucht, über Dinge zu sprechen, über die man glaubte, eigentlich (ein schon verräterisches Wort!) nicht sprechen zu können.

Mittwoch, 22. August 2012

Das passt! (Mini-Leseprobe aus "1+1=10")


Kannte Gerald Hüther schon mein Buch?


Aus SPIEGEL-online vom 21.08.2012: 

Schulkritiker Gerald Hüther "In jedem Kind steckt ein Genie"


Alle Kinder haben das Zeug zum Überflieger, sagt der Hirnforscher Gerald Hüther. Die meisten Lehrer wissen nur nicht, wie sie das Genie aus ihren Schülern herauslocken sollen.

Hüther: … Bisher ging man davon aus, dass diejenigen, die Mathe nicht können, dafür eben unbegabt sind. Es gibt aber kein Einstein-Gen. … Das Gehirn entwickelt sich so, wie man es mit Begeisterung benutzt. Ein Kind verliert die Lust an Mathe, wenn ihm jemand deutlich macht, dass es zu blöd dafür ist

War Eddi Einstein also ein "Potentialentfaltungscoach"? Oder sein Kumpel Rudi Radlos, der die Kinder des Dorfes unterrichtete? Schauen wir in meinem Buch nach:

Dienstag, 21. August 2012

Making of… books (1)


Viele haben mich gefragt, wie ein Autor denn so arbeitet. Das weiß ich nicht – ich weiß nur (manchmal), wie ich arbeite. Das sieht man am besten an meinem geräumigen und aufgeräumten Arbeitszimmer: 


Mit ca. 5,5 qm verstößt es zwar gegen die Deutsche Schäferhund-Halteverordnung (Widerristhöhe von über 65 cm), aber ein Autor arbeitet ja im Kopf. Oder – wie ich – auf Zettelchen (von denen man reichlich sieht). Diese unterliegen evolutionären Emergenzgesetzen (bzw. Parkinsons Gesetz) und vermehren sich daher unkontrolliert. Sie werden zur echten Plage, vor allem für meine Mitmenschen. Aber sie sind nötig, um spontane Ideen, die in entspannten Zuständen entstehen (und nur dann: niemand setzt sich vor ein leeres Blatt mit dem festen Vorsatz: „Jetzt muss mir was Tolles einfallen!“), zu notieren. NB. Es gibt auch eine wasserfeste Variante für Einfälle beim Schwimmen (wo sie besonders häufig sind).
So viel für heute… vielleicht fällt mir ja noch Mitteilenswertes über den Buchproduktionsvorgang ein!?

Samstag, 18. August 2012

Leseprobe aus „Don Quijote“


(Zahlreich erläuternde oder auf Quellen verweisende Fußnoten des Originals bis auf einige Ausnahmen weggelassen). 

5.     Die seltsamen Schleifen des Seins

Die gemeinsame Basis von Evolution und Denken – die Logik – scheint auf ehernen Füßen unverrückbar zu stehen. Dass sie (und damit wir?) verrückt werden kann, ist eine wichtige und folgenreiche Erkenntnis. Ein Kernstück dieser Logik ist die Kausalität, die eherne Kopplung zwischen Ursache und Wirkung. Sie scheint linear zu verlaufen, sogar in zeitlicher Abfolge: Die Wirkung folgt der Ursache. Drüber dachte schon Aristoteles vierhundert Jahre vor unserer Zeitrechnung nach. Verrückt, also verschoben wird dieses Prinzip schon durch eine simple Umkehrung: die Wirkung liegt vor der Ursache. Das ist nicht denkbar, denn es ist nicht in diesem Sinne definiert. Gemeint ist eine Schleife: die Wirkung verändert die Ursache, die eine (ebenfalls geänderte, aber möglicherweise ähnliche) Wirkung erzeugt. Wem dies zu abstrakt ist, der stelle sich ein Beispiel vor: Der Hund bellt. Diese Ursache führt dazu, dass ich mich ärgere und ihn anschreie: „Ruhig!“ Diese Wirkung veranlasst den Hund zu lauterem Gebell, denn er hält das für einen Schrei-Wettkampf. Das ist die Ursache für stärkeren Ärger und lautere Kommandos, die den Hund zu mehr Gebell… Sie merken, wie das läuft. 

Donnerstag, 16. August 2012

Illustrationen zu den Kapiteln des "Don Quijote"

Re. "Eine phantastische Reise durch Philosophie und Wissenschaft"  

 Gustave Doré  hat den Don Quijote illustriert (http://de.wikipedia.org/wiki/Gustave_Doré) und der Autor hat einige Zeichnungen an seine Kapitel angepasst (Bild anklicken!)

Vorwort von Miguel de Cervantes Saavedra

0. Kapitel: Welches behandelt, wie sich Don Quijote und Sancho Pansa durch die Zeit retteten

1.         Wo kommen wir her?

2.         Die gemeinsame Basis – die Logik
3.         Die Dinge und ihre Ordnung

4.         Ursache und Wirkung

5.         Die seltsamen Schleifen des Seins

6.         Die Grundsatzfrage: der Streit zwischen Philosophie und Wissenschaft


7.         Wahrheit und Erkenntnis

8.         Sprache und Denken

9.         Wissen und Bildung

10.        Gefühl und Verstand

11.        Haben wir einen freien Willen?

 
12.        Ethik, Wirtschaft und Moral

13.        Diskurs über den Sinn des Lebens

14.        Der Kampf gegen die Windmühlen

 15.        und letztes Kapitel: Behandelt, wohin wir gehen















Montag, 13. August 2012

Soeben erschienen:

 
Eine phantastische Reise durch Wissenschaft und Philosophie – Don Quijote und Sancho Pansa im Gespräch (326 S., € 19.-), Alibri-Verlag ISBN 978-3-86569-083-8.

Näheres siehe
oder
Ein unterhaltsames Interview dazu gibt es hier:

 

Inhalt:

Die (oft unterschiedliche) Sicht eines Philosophen und eines Wissenschaftlers über zentrale Themen beider Gebiete, die seit der „Geburt“ der beiden Helden Don Quijote und Sancho Pansa die Welt bewegen:

Vorwort von Miguel de Cervantes Saavedra
Über den Beginn der Geschichte und die unzulänglichen Bemühungen des Autors, diese zu erzählen.

0. Kapitel: Welches behandelt, wie sich Don Quijote und Sancho Pansa durch die Zeit retteten
Über die wichtigsten Ereignisse der letzten vier Jahrhunderte, präsentiert in Jahresrückblicken zu Silvester 1699, 1799, 1899 und 1999. Was die Zeit an Erkenntnissen in Philosophie und Wissenschaft brachte.

1.         Wo kommen wir her?
Über den Anfang von Allem, die Erschaffung der Welt „in sechs Tagen“, den Motor der Evolution, die Frage nach Zufall oder Notwendigkeit und das allem zugrunde liegende Problem: Warum ist nicht Nichts?

2.         Die gemeinsame Basis – die Logik
Über die Notwendigkeit, nach dem „Warum?“ zu fragen. Untersuchung der Logik als folgerichtiges Denken. Eine Logisch-philosophische Abhandlung und ihre Folgen und ein (kurzes) Nachspiel zum „Sprachspiel“, als das ein Philosoph die Philosophie bezeichnete.

3.         Die Dinge und ihre Ordnung
Über wie russische Puppen geschachtelte Hierarchien und Klassen von Dingen, „Entitäten“ genannt. Die äußere und die innere Sicht auf Entitäten und ihre Zusammenfassung zu Haufen und Systemen. Die Untersuchung, was danach kommt und ihr überraschender Ausgang. Was uns ein Kaugummiautomat über naturwissenschaftliches Vorgehen verrät.

4.         Ursache und Wirkung
Über die Kausalität und ihren Mörder, den Zufall. Die Frage nach der wahren Ursache, der letzten Ursache und warum wir überhaupt nach Ursachen fragen.

5.         Die seltsamen Schleifen des Seins
Noch einmal über die Kausalität und was sie so schwer beherrschbar macht: Selbstbezüglichkeit schafft überraschende Situationen, Komplexität bringt sie zur Explosion –  und schließlich ist die Wirkung die Ursache der Wirkung. Die „Rückkopplung“ ist geboren.

6.         Die Grundsatzfrage: der Streit zwischen Philosophie und Wissenschaft
Über zwei unvereinbare Sichten auf die Welt und die Kränkungen der Menschheit, zugefügt durch die Wissenschaft. Polemik, Streit und Versöhnung. Die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis werden ausgelotet – so sie sie gibt. Ein manchmal erbitterter und nicht immer sachlicher Streit zwischen den beiden Denkdisziplinen, ausgefochten von ihren Vertretern Don Quijote und Sancho Pansa.

7.         Wahrheit und Erkenntnis
Über das Vorläufige aller Wissenschaft und das Wirkliche der Wirklichkeit. Die Wahrheit über die Wahrheit, über Information, Bedeutung und Erkenntnis. Und warum es in der Wissenschaft auch Endgültiges gibt.

8.         Sprache und Denken
Wie Wörter und Begriffe aufgeschraubt werden, wie Aussagen verstanden, Handlungen koordiniert und Gefühle vermittelt werden. Über das Abbild der Wirklichkeit in der Sprache und warum sie manche für die Essenz allen Denkens halten.

9.         Wissen und Bildung
Über Wissen und Pseudo-Wissen und Wissen in der Informationsgesellschaft. Wie Wissen, Wahrheit und  Schönheit zusammenhängen.

10.        Gefühl und Verstand
Eine psychologische Kernfrage: Was bestimmt mein Handeln? Sollen wir immer dem „Bauchgefühl“ folgen?

11.        Haben wir einen freien Willen?
Ist alles Zufall? Ist alles vorbestimmt? Können wir frei entscheiden? Über einen falsch geschalteten Roboter und was wir daraus lernen.

12.        Ethik, Wirtschaft und Moral
Über die Ethik: Was soll ich tun? Werte im Wandel und die Frage, wie wir Werte in Köpfe und Herzen der Menschen bekommen?

13.        Diskurs über den Sinn des Lebens
Über die unlösbare Frage: Was ist Leben? Der Sinn des Lebens schlechthin, der individuelle Sinn des Lebens und Gretchens Frage nach der Religion.

14.        Der Kampf gegen die Windmühlen
Über die Ohnmacht der Vernunft und Risiken und Nebenwirkungen des Denkens. Soll man das Kind des Zweifels mit dem Badewasser des Glaubens ausschütten?

15. und letztes Kapitel: Behandelt, wohin wir gehen
Wo kommen wir her? Aus Kapitel 1. Und wohin gehen wir? Gute Frage! Das sind die offenen Punkte: Was wird aus dem Individuum nach dem Tod? Was wird aus der Welt in der Zukunft (falls wir eine haben)? Kommen Apokalypse, Armageddon und Weltuntergang? Sind wir sind alle eine Osterinsel?