Dr. Gerfried Pongratz, Lektor und Unternehmensberater in Österreich, hat eine ausführliche Rezension für „Feedback“ geschrieben:
Hier im Klartext:
Ein Opus magnum zu einem Thema, das, als
eines der mächtigsten Wirkprinzipien der Welt, in seinen vielen Facetten eine nahezu
unüberschaubar komplexe Fülle von Einflüssen und Auswirkungen auf die belebte
und unbelebte Natur, notabene auch auf Menschen und menschliches Verhalten besitzt.
Populärwissenschaftliche Bücher müssen den "Spagat" bewältigen,
interessierten Laien wie auch vorinformierten Lesern interessanten Stoff zu
bieten, ohne die einen zu überfordern und die anderen zu langweilen; dem Mathematiker
und Wissenschaftsautor Jürgen Beetz gelingt dies, indem er in anschaulicher – oftmals
mit feinem Humor gewürzter – Erzählweise anhand vieler Beispiele und
zahlreicher Zitate das nötige Grundwissen vermittelt und gleichzeitig sehr umfassend
die damit verbundenen naturwissenschaftlichen, philosophischen und
gesellschaftlich relevanten Erkenntnisse erläutert.
Das 378 Seiten umfassende Buch gliedert
sich in 11 Haupt- und zahlreiche Unterkapitel, die – beginnend bei Situationen
des Alltags – in das Thema Rückkopplung als „Ursprung von allem“ sowie Rückkopplung
als Grundelement sämtlicher evolutionärer Prozesse einführen und weiterführend
die Verschränkungen und Wechselbeziehungen mit den Prinzipien der
Selbstbezüglichkeit (zyklische Prozesse), der Selbstorganisation und Emergenz
(das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile) sowie von Ursache-Wirkung-Systemen
tiefgründig beschreiben. Neben Rückkopplung in der Technik widmen sich ausführliche
Kapitel der Rückkopplung in der Natur (besonders in der Evolution), im
Sozialleben, in Psychologie, Politik und Geschichte wie auch in der Wirtschaft.
Rückkopplung „im Größten und im Kleinsten“ – vom Universum bis zu
Elementarteilchen und Quanteneffekten – wie auch die (Zitat: „wagemutige“)
Vermutung „Feedback ist der Ursprung von allem und führt zu einer endlosen
Kette der Entwicklung“ beschließen die Ausführungen zu einem in seiner Bedeutung
nicht überschätzbaren Prinzip: Rückkopplung bei der Entstehung der Welt (des
Universums) bis zu deren voraussichtlichem Ende, Rückkopplung in allen
Bereichen des Lebens bis in unzählige feinste Verästelungen, Rückkopplung in nahezu
unüberschaubaren Wechselwirkungen und mit oftmals nicht vorhersehbaren Folgen.
Da die übergroße Themenvielfalt des Buches mit
den dazugehörenden Beispielen, Erläuterungen und aufgeworfenen Fragen eine
umfassende Darstellung an dieser Stelle nicht einmal annäherungsweise ermöglicht,
nachstehend nur einige dem Rezensenten wesentlich erscheinende Kernaussagen:
· Rückkopplungen kommen überall in technischen,
biologischen, geologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Systemen
vor, die Prinzipien der Kybernetik gelten in allen Lebens- und sonstigen Bereichen
im gesamten Universum. Die Welt ist nicht linear-kausal, sondern besteht aus
einem komplexen Netzwerk von rückgekoppelten Wirkungen und Rückwirkungen.
· Je nach Art und Richtung der zurückgeführten Größe
kommt es zur Selbstverstärkung der durch das System bedingten Prozesse (positive
Rückkopplung; aufschaukelnd, kann zu „Teufelskreisen“ führen) oder zu deren
Abschwächung, bzw. Selbstbegrenzung (negative Rückkopplung; dämpfend,
stabilisierend).
· Selbstbezüglichkeit ist der Kern der Rückkopplung,
zyklische Sprüche sind deren sprachlicher Ausdruck; Beispiele: „Die Lebewesen
verändern die Umwelt verändert die Lebewesen“; „die Wirklichkeit formt das
Modell formt die Wirklichkeit“; „die Ursache erzeugt die Wirkung erzeugt die
Ursache“. Selbstbezüglichkeiten können allerdings auch Paradoxien – alle Kreter
lügen, sagt der Kreter Epimenides – erzeugen.
· Einfache Regeln erzeugen bei Rückkopplung komplexe
und oftmals nicht mehr vorhersagbare Systeme. Aus einfachen Systemen kann mit
Rückkopplung sowohl Ordnung, wie auch Chaos entstehen.
· Lineare, monokausale Systeme sind selten, es
überwiegen komplexe, vernetzte, dynamische, rückgekoppelte Systeme, meist in
Regelkreisen (Wirkung beeinflusst die Ursache); die Frage, wer oder was zuerst
da war, ist bei Regelkreisen sinnlos.
·
Evolution (physikalisch,
chemisch, biologisch, kulturell) als mächtigstes Prinzip der Welt enthält –
neben Vererbung, Mutation, Selektion – als gleich wichtigstes Wirkelement Rückkopplung;
diese befähigt Lebewesen u.a. zur Selbstorganisation und Regelung ihrer
Prozesse.
· Leben ist durch 3 Eigenschaften gekennzeichnet (differenzierte
Systeme – Stoffwechsel, Selbstproduktivität und Mutabilität – Veränderbarkeit),
die im Zusammenspiel mit Rückkopplung Emergenz erzeugen, wobei Letztere als Entstehung neuer Systeme aus vorhandenen
Komponenten (Materie, Energie, Naturgesetze) definiert wird („mehr ist
anders“).
· Die Dynamik komplexer rückgekoppelter Systeme wird
oft nicht verstanden, bzw. kann nur schwer oder gar nicht durchschaut werden;
dies führt u.a. in Sozial- und Wirtschaftssystemen zu Aufschaukelungen und
Verwerfungen. Vermeintlich einfache Lösungen komplexer, vernetzter Probleme sind
meist falsch, und Eingriffe in diese Systeme erweisen sich überwiegend als gefährlich.
· Intelligenz entsteht durch Rückkopplung von Denken
und Wirklichkeit, Lernen ist ein perfekter Rückkopplungseffekt mit einem
Regelkreis aus Erwartung und Erfahrung, auch Spracherwerb beruht auf
Rückkopplungsprozessen. Das gesamte menschliche Weltbild entsteht durch
Rückkopplung plus selektiver Wahrnehmung (Mustererkennung: richtig oder
vermeintlich richtig); „Erkenntnis“ hat sich evolutionär in
Rückkopplungsschleifen entwickelt.
· Rückkopplung ist das Grundprinzip des sozialen
Zusammenlebens wie auch des individuellen Verhaltens; die „Theory of Mind“ („Theorie
des Geistes“, die Fähigkeit von Lebewesen, Vorstellungen von den Gedanken von
anderen zu entwickeln) besteht aus einer Vielzahl von Rückkopplungsschleifen.
Korrigierende – negative – Rückkopplungen fördern Erkenntnisse, positive
verstärken (u.U. auch realitätsferne) Meinungen.
· Rückkopplungsprozesse spielen auch in der
Psychologie und im Sozialleben eine sehr wichtige Rolle. Der Mensch kommt ohne
plausible Kausalitätszusammenhänge nicht aus; dies kann dazu führen, dass durch
Rückkopplungen aus eklatanten Widersprüchen stimmige Geschichten gesponnen
werden.
· In den sozialen, gesellschaftlichen und
politischen Strukturen unserer Welt existieren Rückkopplungsprozesse ohne Ende,
kein einziges geschichtliches Ereignis verläuft oder verlief linear und hat nur
eine Ursache und eine Wirkung, man hat es immer mit komplexen, vernetzten Strukturen
und vielfältigen Rückkopplungskreisen zu tun. Wesentlich dabei ist, zwischen
positiver und negativer Rückkopplung zu unterscheiden.
· Die Welt ist in Hierarchien geschichtet, zwischen
deren Ebenen Wechselwirkungen bestehen, Hierarchien wachsen durch
Differenzierungen zu komplexen Systemen, die deterministisch bestimmt sind und
trotzdem chaotisches Verhalten zeigen können.
Im Hinblick auf (aktuelle)
Probleme und Nöte der Menschheit besteht nach Ansicht des Autors eines der
Hauptprobleme darin, dass wir Menschen auf komplexe Systeme Erfahrungen
anwenden, die wir mit einfachen Systemen gesammelt haben – was meist
schiefgeht: „Der Mensch ist die einzige Art, die aktiv zu ihrer eigenen
Vernichtung beiträgt….. Wir stehen – erstmalig in der menschlichen Geschichte –
an einem globalen Wendepunkt, einem Kipp-Punkt, der über die Zukunft unserer
Art entscheidet. Ewiges Wachstum ist unmöglich, ebenso wie die Beherrschung
immer komplexerer Systeme…. Diese theoretischen Erkenntnisse zeigen heute ihre
praktischen Konsequenzen: instabile Prozesse. Die Sensibilität dafür zu erhöhen
war Ziel dieses Buches“ (S. 358).
Ein Buch, das – mit
persönlicher Note des Autors – weite Horizonte eröffnet und in seiner
Themenverschränkung mit vielen Wissensgebieten wie auch mit aktuellen sozialen,
gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Erscheinungen tiefe Einsichten –
nicht nur zum Thema „Feedback“ – vermittelt. Manche Ausführungen und die
Vielzahl der Beispiele mögen eiligen Lesern vielleicht etwas zu lang oder zu
üppig geraten sein, die Teilzusammenfassungen am Ende jedes Kapitels sowie eine
Gesamtzusammenfassung und eine Box mit den wichtigsten Aussagen und Thesen zum
Thema „Feedback“ am Ende des Buches kompensieren z.T. eventuell vorher übersprungene
Einzeldarstellungen. Eine uneingeschränkt empfehlenswerte – geistig fordernde –
Lektüre für alle, die zu den Fragen „warum die Welt so ist wie sie ist und wie
wir darauf reagieren können“ mehr wissen möchten!
Für die
Fairness des Autors spricht, dass er neben der Darstellung des Themas aus
naturalistischer Weltsicht auch einen Theologen [„…am Anfang stand göttlicher
Geist…“] zu Wort kommen lässt (S. 350).
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