Jens Jürgen Korff (M. A.) ist freiberuflicher Werbe- und Webtexter im Raum Bielefeld – ich hatte
ihn schon vorgestellt.
Also ein Mann mit scharfer Zunge und scharfer Meinung. Kein Wunder, dass er
sich den „Don Quijote & Sancho Pansa“ im
Einzelnen vorgenommen hat!
Zum Titelbild hat er sich hier schon geäußert. Die Einleitung...
... kommentiert JJK wie folgt:
Vorrede
Eine prächtige Vorrede, frei nach dem köstlichen Vorwort des
Cervantes zu seinem unsterblichen Werk! Ich fürchte, in meinen weiteren
Randnotizen wird die Kritik einen zu großen Platz einnehmen und das Lob wird zu
kurz kommen. Irgendwas ist schon ziemlich verschroben an den denkenden, oder
eher an den fühlenden Intellektuellen, dass sie immer dann aufblühen und vor
Aktivität sprühen, wenn es etwas zu kritisieren gibt, und dass sie meist
schlaff und unbeteiligt bleiben, wo es an der Zeit gewesen wäre, sich zu
erinnern und auszusprechen: Da habe ich mich amüsiert, und das habe ich Dank
der Bemühungen des Autors an dieser Stelle erkannt!
Einleitung
10: herrlich, wie
Beetz die dumme Vorliebe mancher Autoren zu komplizierten, nichts sagenden
Schachtelsätzen in einem komplizierten, nichtssagenden Schachtelsatz abhandelt!
Endnoten! Leider gibt es keine Fußnoten mehr am Fuß einer
jeden Seite, die sind viel praktischer als Endnoten, weil man nicht ständig hin
und her blättern muss. Übrigens sind Fußnoten eine frühe Form von Hypertext.
Zu den Links: Offenbar hat außer Stanislaw Lem noch ein
berühmter Schriftsteller, Herbert George Wells, die Idee des Internet
vorweggenommen in einem 1937 erschienenen Aufsatz namens Word Brain.
Aber was ist das für eine schreckliche Schreibweise der
Internet-Links!
HTTP://www.Berlinonline.de/berliner-Zeitung/Archiv/.Bin/de.fCGI/2003/1220/Media/0064/Index.html
– warum mutet uns Beetz zu, so etwas zu lesen oder gar abzutippen?!? Dabei gibt
es doch bei bitly.com und anderen Anbietern die Möglichkeit, solche Links
abzukürzen und sogar mit sinnvollen Wörtern zu beschreiben. Bei Wikipedia-Links
wäre es doch viel sinnvoller gewesen, einfach zu schreiben: Wikipedia.de:
Suchwort. Und wo wir schon in den Servicebereich des Buches abgeglitten sind:
wo ist der Personenindex? Sancho Pansa!
Nun widmet er sich dem "nullten" Kapitel mit folgendem Inhalt:
Hier kommen seine Kommentare:
Nulltes Kapitel
In meinen Augen ist es eine logische Unsitte, dem ersten
Kapitel eines Buches nicht die Nummer 1, sondern die Nummer 0 zu geben. Zählen
kann man nur, was vorhanden ist. Ein Kapitel Nummer 0 wäre ein Kapitel, das
nicht existiert.
14: Können der Philosoph, der Künstler der
folgenlosen Gedanken, und der Wissenschaftler, der materialistische, logisch
denkende Erbsenzähler, überhaupt ins Gespräch kommen? Sehr schön
formuliert!
Rückblick 1699
15: Da steht es
ja: »aufgrund der Definition, dass es kein Jahr Null gab…« Aus dem gleichen Grunde gibt es auch keine
Seite 0 und kein Kapitel 0. Es handelt sich aber nicht bloß um eine Definition,
sondern um eine Frage der Logik: Zählen kann man die wie gesagt nur Dinge die
vorhanden sind, und das erste Ding, das vorhanden ist, hat die Nummer 1.
16: schön, dass
Shakespeare vorkommt! (Und schade, um das vorwegzunehmen, dass Goethe nicht
vorkommt.)
Rückblick 1799
21: »Die
unvermeidlichen Kriege können wir ja weglassen.« Das könnte ein Fehler sein.
Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) gilt als erster Weltkrieg der Geschichte
und hatte bereits große Ähnlichkeiten mit dem offiziell Ersten Weltkrieg
(1914-1918). Über Friedrich II. von Preußen zu sprechen, ohne seinen
aberwitzigen Krieg zu erwähnen, verzerrt die Geschichte ganz gewaltig.
24: Danke für die
Klarstellung! Die Kugelgestalt der Erde war in Antike und Mittelalter bekannt.
25: Bestimmt haben wir jemanden vergessen.
Ja, zum Beispiel James Watt, der 1776 eine effiziente Dampfmaschine konstuierte,
und Goethe und Schiller, deren Freundschaft 1795 in Weimar begann. Beide
beschäftigten sich in ihrer Literatur viel mit Wissenschaften: Goethe mit
Naturwissenschaften, Schiller mit Geschichtswissenschaft.
Rückblick 1899
26: Hier fehlt
Goethe nun ganz dringend, der 1805 in seinem »Faust« das Urbild eines
Wissenschaftlers schuf, der unbedingt herauskriegen wollte, »was die Welt / im
Innersten zusammenhält«. Auch vor einem Pakt mit dem Teufel schreckte er nicht
zurück. Als ob Goethe geahnt hätte, was Einstein, Oppenheimer und andere 140
Jahre später mit ihrer Atombombe anrichten würden. Aber wahrscheinlich fiel
Goethes Faust Beetz’ notorischer Idiosynkrasie gegen alle zum Opfer, die sich
einmal »der Magie ergeben« haben...
27: Schelling und
die Romantik: Hier zeigt sich erstmals, welche Wissenschaften SP alle nicht
oder kaum im Blick hat: Die Brüder Grimm und andere schufen mit ihren
Wörterbüchern die Grundlage von Germanistik, Anglistik Romanistik,
Sprachwissenschaft. Barthold Georg Niebuhr begründete die
geschichtswissenschaftliche Quellenkritik: standardisierte Verfahren, mit deren
Hilfe man die Relevanz historischer Quellentexte einschätzen und überprüfen
kann. Auch das waren Früchte der Romantik.
28: Zu Marx: Viel
wichtiger als Marx’ polemischer Satz in der Vorrede zum Kommunistischen
Manifest war der erste Satz des Haupttextes: „Die Geschichte aller bisherigen
Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen: Freier und Sklave,
Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener...“ Hier begründeten Marx und
Engels eine Geschichtsphilosophie und ein angebliches Naturgesetz der
Geschichte. Das dürfte ihr problematischster Fehler gewesen sein. Die skeptische
Vorhersage des Don Quijote lässt einen wichtigen Aspekt außer Acht: den
Freiheitsdrang der Menschen. Nach wie vor nehmen sich Unternehmer das Recht
heraus, Millionen von Menschen in ihren Betrieben herumzukommandieren und
Ungehorsam mit Arbeitslosigkeit zu bestrafen. Das ist der eigentliche Skandal
des Kapitalismus.
29: Die
„Ausbeutung der Arbeiterklasse“ im 19. Jahrhundert war keine Erfindung von
Marx, sondern blutige und – im Aristoteles’schen Sinne unbestrittene –
Realität.
DQ fragt: „Immer nur Wissenschaften?“ Er sollte fragen:
„Immer nur Naturwissenschaften? Wo bleiben Geschichtswissenschaft, Geographie,
Sprachwissenschaften, Nationalökonomie, Soziologie?“ Auguste Comte und Max
Weber begründeten die bürgerliche Soziologie (nachdem Marx und Engels schon die
sozialistische Soziologie begründet hatten).
Rückblick 1999
31:
Navigationsgeräte gab es 1999 noch nicht. Auch Google (S. 37) entstand erst ein
Jahr zuvor. Damals benutzten wir noch Lycos, Fireball und Altavista.
Der Moderator wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen,
wenn er die notorisch fehlenden Geistes- und Sozialwissenschaften vertreten
hätte.
33: die
Atombombe, der „Januskopf des Fortschritts“: Ist das alles, was dazu zu sagen
ist? Da waren wir schon mal weiter. Die Atombombe verkörpert wie kaum eine
andere Sache die „Dialektik der Aufklärung“, von der Adorno und Horkheimer 1945
gesprochen haben: die zerstörerische und selbstzerstörerische, ja mörderische
Potenz der Aufklärung und des wissenschaftlichen Fortschritts. Eindrucksvolle
Einblicke lieferten uns die Dramatiker Friedrich Dürrenmatt („Die Physiker“),
Heinar Kipphardt („In der Sache J. Robert Oppenheimer“) und Wolfgang Weyrauch
(„Die japanischen Fischer“, ein Hörspiel).
34: DQ zitiert
Richard Feynman: „...es ist sicher zu sagen, niemand versteht die Quantenmechanik.“
Hallo Philosoph! Wo bleibt dein Einsatz? Wäre es hier nicht an der Zeit, die
Frage aufzuwerfen: Welchen Sinn hat eigentlich eine Theorie, die niemand
versteht? Theorien haben doch den Zweck, Sachverhalte verständlich zu machen.
Gut, vielleicht kommt so was noch. Ich bin gespannt.
„Das blutigste Jahrhundert der Weltgeschichte“: Das gilt nur
eingeschränkt, nur in absoluten Zahlen, nicht aber in relativen. Der Historiker Steven Pinker (Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit, 2011) hat kürzlich recht überzeugend nachgewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit,
einem Kriegsakt oder Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen, im 20. Jhdt. viel
kleiner war als z. B. im 18. Jhdt. Salopp gesagt: Es gab so viele Tote, weil es
so viele Menschen gab.
35: Viren und
Bakterien – gutes Stichwort! Wo bleibt eigentlich die Genetik? Man entdeckte
die Chromosomen, die Struktur der DNS/DNA, die Mechanismen der
Protein-Biosynthese sowie der Photosynthese.
Hiroshima: Sündenfall der Wissenschaft oder der Philosophie?
Sancho, Sancho, deine Position ist unlogisch! Es war Aufgabe der beteiligten
Wissenschaftler, sich an ethischen Prinzipien zu orientieren. Und nicht Aufgabe
der Philosophen, den Wissenschaftlern (und Politikern) ihre Prinzipien
aufzuzwingen. Philosophen sind, wie oben gesehen, Künstler des folgenlosen
Denkens, also machtlos, Wissenschaftler dagegen nicht. Sie können den Bau einer
Atombombe tatsächlich verhindern. Doch Wernher von Braun pflegte in solchen
Fällen zu sagen: „That is not my department.“
Die lokalen Kriege und Massaker seit 1945 kann man ruhig
mitrechnen. Dennoch bleibt die 2. Hälfte des 20. Jhdts. im weltgeschichtlichen
Vergleich eine überwiegend friedliche Zeit, in der die weitaus meisten Menschen
der Erde meistens im Frieden lebten.
36: Vernunft und
Kultur haben 1962 den Atomkrieg verhindert? Verstehe ich nicht. Zunächst mal
haben sie doch die Möglichkeit und Gefahr eines Atomkrieges überhaupt erst
geschaffen. Ohne Vernunft und Kultur kann man keine Atombomben bauen. In diesem
Streit fehlt es DQ deutlich an soziologisch geschärftem Biss. Man
vernachlässigt Geistes- und Sozialwissenschaften nicht ungestraft. (Übrigens
wurde 1983 ebenfalls nur knapp ein Atomkrieg verhindert. Die Angst der
damaligen Friedensdemonstranten war nur zu berechtigt. Vielleicht ist es der
Pazifismus, der Kriege verhindert?)
37: »Das Ich ist
nicht Herr im eigenen Haus« – ein merkwürdiges Missverständnis der Psychologen
und Neurologen, das möglicherweise auf Freuds unglückliche Metapher vom Ich und
vom Es zurückgeht und bis heute in den Debatten um den freien Willen nachwirkt.
Wenn mein Unterbewusstsein etwas macht, dann bin ich das. Mein Unterbewusstsein
gehört mir! Freud litt als typischer Bildungsbürger des 19. Jhdts. unter einer
grotesken Überbewertung der bewussten Vernunft. Er konnte sich mit seinen
eigenen spontanen Gefühlen nicht identifizieren. Eine bedauernswerte
persönliche und zeitbedingte Schwäche, und keinerlei Grund, darauf eine Lehre
oder Theorie aufzubauen.
38: SP wirft die
Frage auf, ob Geschichte eine objektivierbare Wissenschaft ist. Sie ist es. Mit
der Frage haben sich Geschichtswissenschaftler, Soziologen und Philosophen
schon häufig beschäftigt (etwa Max Weber). Und sind m. W. zu vernünftigen
Resultaten gekommen. Übrigens haben die Naturwissenschaften das gleiche
Problem, dass der Auswahl ihrer Themen immer auch ein Moment des Zufalls und
der Willkür innewohnt.
Werden die Ausschläge des Grauens immer größer? Diese Frage
haben Historiker beantwortet: Nein. Es sei denn, der Atomkrieg kommt doch noch.
DQ: „Ich glaube, die Philosophie muss sich neu
positionieren...“ Ja, da sind in der Epoche der Plurale, die meist etwas
dümmlich Postmoderne genannt wird, schon einige kluge Köpfe drauf gekommen,
überwiegend Franzosen. Das, und was es gebracht hat, könnte und sollte man hier
andiskutieren. Stichwort Vielfalt: Wir lernen peu à peu, mit unscharfen
Einschätzungen, unsicheren Prognosen und uneindeutigen (oder selbstbezüglichen ;-)
) Ursachen und Wirkungen zu leben.
39:
„Globalisierung bedeutet nur...“ Na, na, Monsieur! Globalisierung bedeutet
auch, dass wir von den Afrikanern Tanzen und Lebenskunst lernen, von den
Asiaten Gelassenheit und Akupunktur (uh, da zuckt der arme DQ zusammen!), von
den Lateinamerikanern Befreiungstheologie und Revolution...
Das Internet hat uns die Wikipedia verschafft und damit zwei
Utopien verwirklicht: den freien Zugang zum Wissen der Welt und ein neues
Modell der gesellschaftlichen Kooperation jenseits der kapitalistischen
Ökonomie.
40: „Kultur der
Mittelmäßigkeit“ – ein uralter konservativer Topos, der schon mit dem
Fernsehen, dem Radio, dem Kino, den Zeitungen und sogar mit den gedruckten
Büchern (zumindest den Taschenbüchern) in Verbindung gebracht wurde. Dahinter
steckte immer die Furcht alter Eliten, ihre Deutungshoheit zu verlieren. Die
Wikipedia widerlegt ihn.
Die Postmoderne: siehe oben. Wenn wir sie als Plurale
verstehen, hat sie uns viel zu sagen. Z. B., DQ sagt es mit MacLuhan: „Das
Medium ist die Botschaft.“ Ein Satz allerdings (ein Dogma sogar), über den man
trefflich und ergiebig streiten kann.
41: Oh, auf den
letzten Metern kommt die Umwelt ins Spiel. Ein bisschen spät, ein bisschen
marginal vielleicht? Und diese schrecklichen Malthusianismen laufen immer auf
die ethnozidische Idee hinaus: Alles wäre gut, wenn’s weniger Afrikaner und
weniger Chinesen auf der Welt gäbe. Auch hier übrigens: Dialektik der
Aufklärung at it’s worst.
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