Der Inhalt in Kurzfassung:
JJK's Kommentare:
1. (eigentlich 2.) Kapitel: Wo kommen wir her?
Warum ist nicht Nichts?
45: Die
Philosophie hat gar nichts gebaut? Hier vermisse ich ganz schrecklich Kunst,
Musik, Literatur. Die haben ganz viel gebaut. Diese verdammten Techniker sollen
sich nicht einbilden, sie wären die einzigen, die etwas bauen.
DQ meint, jede Wirkung (etwa die Existenz von etwas) habe
eine Ursache. Und wenn nicht? Ist das nicht eine Täuschung, der wir Menschen
erliegen, weil wir so stark auf Ursachen fixiert sind? Was ist mit dem Zufall?
Hat der eine Ursache?
46: Herrlich
selbstironisch, das Zitat von Augustinus! Kommt in meinen Zitatenschatz.
Zitat Augustinus: Was
tat Gott, bevor er Himmel und Erde schuf? Er bereitete die Hölle vor für jene,
die solche Fragen stellen.
Augustinus erkannte, dass wir uns mit dieser Frage selbst in
den Wahnsinn treiben können. Wir müssen also akzeptieren, dass wir mit unserem
Denken nicht vor den Anfang der Welt zurückkönnen, deren Teil wir sind. Damit
ist die Ausgangsfrage eigentlich beantwortet: Es gibt kein Warum. Die Welt
existiert nun einmal; das ist ein Axiom unseres Denkens. Es hat keinen Sinn und
ist Zeitverschwendung, über ein Warum nachzudenken.
47: Der Kosmos
ist 13,7 Mrd. Jahre alt und 13,7 Mrd. Lichtjahre groß. Bedeutet das, dass er
sich mit Lichtgeschwindigkeit ausgedehnt hat? Und bedeutet das, dass wir die
entferntesten Lichtquellen in dem Zustand sehen, den sie zur Zeit des Urknalls
hatten? Wenn ja – wie kann man dann von einem homogenen Kosmos ausgehen? Wir
können ja gar nicht sehen, wie er jetzt weiter draußen aussieht. Und wenn ja –
was sagen uns diese Informationen über den Urknall?
Sieben Tage
50: Die Herkunft
des irdischen Wassers und des Lebens sind physikalisch nicht geklärt.
Interessant! Könnte es sein, dass es sich hier um einmalige, nicht
reproduzierbare, vielleicht zufällige Ereignisse handelte (ähnlich wie beim
Urknall selbst)? Dass hier also das Konzept der Naturgesetze die Physiker eher
in die Irre führt?
Das mit der Photosynthese ist ein bisschen kurz gegriffen.
Die Photosynthese ist die chemische Grundlage der Assimilation von Nährstoffen
und damit des gesamten Stoffwechsels der Lebewesen (von wenigen Ausnahmen
abgesehen wie den Schwefelbakterien).
51:
Desillusionierend? Hier kann ich DQ nicht folgen.
52: Ach, die
Bibelbezüge sind ja interessant!
Und dann kommt SP auf das Eingemachte: lógos, die
Naturgesetze! Ich als Don Quijote de la Rhenania-Westphalia wage den Einwand:
Die Naturgesetze werden überschätzt. Sie dienen vor allem den Physikern dazu,
ihre Deutungshoheit zu verteidigen. Schon in der Biologie überwiegen, wie Ernst
Mayr ausgeführt hat, die historisch einmaligen Ereignisse, die Sonderfälle. Es
gibt praktisch nur noch Ausnahmen – vielleicht, weil das Leben selbst als
Ausnahmezustand entstanden ist. Ein Beispiel liefert Sancho selbst auf S. 53:
das zufällig entstandene Sprachgen.
Biologie ist Naturgeschichte – eine historische
Wissenschaft.
53/54: Spannend,
der Streit zwischen Protagoras und Platon. Den könnte man glatt in die heutige
Zeit versetzen.
55: Das „Ich“ im
Kernspintomographen: Die Neurologen sind ja tatsächlich auf dem Wege, uns
weismachen zu wollen, dass das Ich nicht existiert. Dabei weiß jeder
Nicht-Schizophrene, dass es existiert.[1]
Wir sind Kausalitätssuchsysteme. Wie wahr! Und deshalb ist
Skepsis geboten, wenn Menschen behaupten, alles habe eine Ursache. (Die beiden
werden noch darauf zu sprechen kommen, hoffe ich.)
Dass uns der Satz „Ich weiß es nicht“ in existenzielle
Ängste stürzt, ist m. W. ein historisch sehr neuer Umstand. Früher waren wir
näher an Sokrates’ Weisheit dran. Vielleicht lehren uns die Plurale, da wieder
hinzufinden. Jedenfalls sehe ich da keine anthropologische Konstante.
Wir können nicht wissen, wie es sich anfühlt, eine
Fledermaus zu sein? Doch, manche Menschen können das. Ich selbst kann mich z.
B. gut in Fische hineinversetzen und habe eine Vorstellung davon, wie es ist,
mit „meinem“ Seitenlinienorgan die Strömung wahrzunehmen. Das geht schon – mit
Beobachten, Detailwissen, Intuition und ein bisschen Mystik. (DQ, geben Sie
Intuitionsfreiheit!)
56: Ah, hier
verrät sich Sancho Beetz: „Hier sind den Naturwissenschaften offenbar
grundsätzliche Grenzen gesetzt...“ Ja, den Naturwissenschaften!
Nicht aber der Psychologie. Die kann m. W. durchaus erklären, wie Erleben
zustande kommt. Es wird Zeit, Sanchos wissenschaftlichen Horizont zu erweitern.
DQ: Wir sind
„Beobachter“. Sehr geistreich gedeutet!
Dass unsere Meinungen uns bereit machen, Mitmenschen zu
töten, ist allerdings eine Verleumdung und, so weit ich weiß, eine historische
Fehlinterpretation. Mindestens 99% der Menschen haben zwar Meinungen, aber noch
nie einen Mitmenschen umgebracht. Und da, wo es doch geschah, ging es in aller
Regel nicht um Meinungen, sondern um Macht oder Geld, also um
Interessenkonflikte. Das hat auch Al-Qaida nicht geändert.
DQs Einwände gegen Evolutionismus und Ethnozentrismus
zeigen, dass er ein paar Lektionen der Plurale verstanden hat. Hier dürften mit
die größten Verdienste des „neuen Denkens“ liegen.
59: SPs
überhebliche Worte über die Philosophen sind ebenso unbedacht wie DQs
resignative Antwort. Die Philosophen hätten keine Alleinstellungsmerkmale des
Menschen gefunden? Und was war das gerade mit dem Beobachter? Auch die von Sancho
selbst erwähnte soziokulturelle Evolution gehört hierhin, die die
Kulturwissenschaftler, die Historiker usw. erforscht haben. Dass man da beim
Interpretieren Vorsicht walten lassen muss, ist kein Grund, die Tatsache an
sich zu leugnen. Deshalb stimmt das Bild mit dem schrumpfenden Terrain nicht.
Das hätten die Neurologen und Genetiker so gern! Kriegen sie aber nicht.
Denn die kulturelle Evolution hat philosophische
Weiterungen. Im Verlauf dieser Evolution haben die Menschen einen Raum
geschaffen, in dem sich Gedanken gewissermaßen transmateriell, losgelöst von
den Neuronen einzelner Menschen, weiterentwickeln können. Na, wenn das kein philosophischer
Raum ist, der die alte Streitfrage Idealismus-Materialismus neu aufrollt!
Übrigens führt uns die Plurale dazu, die Ausgangsfrage in
Frage zu stellen. Wozu überhaupt ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen? So
wie wir mit dem Unfug aufhören, nach Alleinstellungsmerkmalen der Europäer zu
suchen, die „uns“ von den „anderen“ in Afrika, Asien usw. unterscheiden, so
können wir auch mit dem Unfug aufhören, uns krampfhaft von den Tieren absetzen
zu wollen. Das heißt aber nicht: der philosophische Raum verschwindet, sondern
im Gegenteil: Er wird größer, weil die Tiere dazukommen. So ähnlich sieht das
auch Richard David Precht.[2]
Evolution: Zufall oder Notwendigkeit?
Der Dodo, der ausgestorben ist: Hunderttausende von Arten
sind im Verlauf der Evolution ausgestorben. Es lohnt sich, da eine Weile drüber
nachzudenken. Die Evolution verlief eben überhaupt nicht zielgerichtet, auch
nicht gesetzmäßig. Sie verlief ziemlich chaotisch, war geprägt von Zufällen,
einmaligen Ereignissen und Irrwegen. Wenn jetzt vieles perfekt erscheint, liegt
das an zahllosen Versuchen und Irrtümern der Natur, die dem vorausgingen.
DQ meint, der Dodo sei „unserem Unverstand zum Opfer
gefallen“. Ob er jemals wird denken können, dass er vielleicht eher unserem
Verstand zum Opfer gefallen ist? Es war doch unser Verstand, der uns gesagt
hat: Der Vogel da ist groß und nahrhaft und kann nicht fliegen. Eine leichte
Beute!
60: DQs Spruch
von der Explosion in der Druckerei ist eine schöne Formulierung des Dogmas:
Evolution kann nicht sein. Mal sehen, wie gut Sancho kontert!
Ja, Evolution wirkt kumulativ; das ist ein wichtiger
Gedanke.
Ja, noch wichtiger: Der Zufall bestimmt nicht die Ergebnisse der Evolution, sondern nur
ihren Verlauf. Die Ergebnisse werden davon bestimmt, welche Eigenschaften den
Lebewesen die besten Überlebens- und Fortpflanzungschancen verschafft haben. Wir
sehen sie immer erst von hinten: Wenn Vögel, die besser fliegen können, eher
überleben und sich demzufolge stärker fortpflanzen, sind eben nach ein paar
Generationen fast nur noch diese Vögel übrig. Das ist das ganze Geheimnis. Von
„Gesetzmäßigkeit“ zu sprechen, halte ich (mit Ernst Mayr[3])
für problematisch, da die Evolution aus lauter einmaligen historischen
Entwicklungen besteht. Es gibt kein Gesetz, nach dem sich Säugetiere gegenüber
Reptilien durchsetzen; sondern dies ist in einer einmaligen erdgeschichtlichen
Situation so verlaufen, weil in dieser Situation die Säugetiere bessere Chancen
hatten.
61: Hört, hört,
hier gibt's Sancho zu: Aber ich bin kein
Biologe… Tut die ganze Zeit so, als sei er »die Wissenschaft«, und dann ist
er noch nicht mal Biologe!
Evolution ist 99 Prozent Gesetzmäßigkeit? Eher nicht. Besser
erscheint mir das Bild: sie ist 99 Prozent Kunstgeschichte. Die Arten und ihre
Eigenschaften haben sich ganz ähnlich entwickelt wie Kunstwerke und Epochen der
Kunstgeschichte. Der Vergleich mit Wissenschaft und Technik trifft es
schlechter, weil deren Entwicklung zu zielgerichtet verläuft, zu stark von
äußeren Interessen gesteuert wird.
62: Nein, das
Prinzip Auge sind nicht lichtempfindliche Sinneszellen. Das wäre zu kurz, denn
es ist ja am Ende ein Apparat herausgekommen, der optische Abbilder der Umwelt
erzeugt und ins Gehirn einschleust. Diese Entwicklung war in den
lichtempfindlichen Zellen nicht angelegt. Hoimar von Ditfurth hat das in dem
Buch »Der Geist fiel nicht vom Himmel« mal ganz gut erklärt. Die Hornhaut zum
Beispiel ist nicht als optisches Gerät entstanden, sondern als Schutzhaut.
Ditfurths Fazit war: Zuerst entstanden Werkzeuge, die zufällig neue
Eigenschaften hatten, und dann erst entstand das Verhalten oder gewissemaßen
der Bedarf, der die neuen Möglichkeiten ausgenutzt hat.
Darwins Prinzip und die Intelligenz: Wieso? Stimmt doch!
Süße Blondinen und Schwarzenegger-Typen haben bessere Reproduktionsraten als
Don-Quijote-Typen.
Wir werden zwar wohl bald wissen, wie das Leben entstanden
ist, aber dass wir es im Labor nachvollziehen können, glaube ich eher nicht.
Fortsetzung folgt.
Jens Jürgen Korff
August 2012
August 2012
[1]
Dazu Richard David Precht: Wer bin ich
und wenn ja, wie viele? München 2007. S. 62-73 (Wien. Die Mach-Erfahrung: Wer
ist »Ich«?)
[2]
Precht, S. 209-230 (Jenseits von Wurst
und Käse: Dürfen wir Tiere essen? / Der Affe im Kulturwald: Wie sollen wir mit
Menschenaffen umgehen?)
[3]
Das ist Biologie. 1997/2000
Zur Erläuterung: Als "die Plurale" bezeichne ich hier die sonst meist "Postmoderne" genannte kulturhistorische Epoche etwa seit 1970, deren typisches Kennzeichen die Pluralität der Weltanschauungen ist.
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